Eleni, unsere Versicherungsexpertin aus Athen, war vor einigen Jahren mal zu Besuch im Süden von Kreta, hat sie uns berichtet, und Mires, diese größte Stadt in der Messara-Ebene, in der wir wohnen, hat ihr gar nicht gefallen. Mires fand sie unattraktiv, laut und schmutzig, und sie hat kein einziges schönes Restaurant in Mires gefunden.
Wir verstehen Eleni. Und Eleni hat Recht: Es gibt wirklich keine einzige Taverne in Mires, in der man es sich abends bei einem schönen Essen gut gehen lassen kann. In der Umgegend von Mires gibt es jede Menge wunderbare schöne und lauschige Tavernen. Aber nicht in Mires selbst. Hier gibt es unzählige kleine Schnellimbisse, in denen man durchaus leckere Kleinigkeiten essen kann, Giros, Salat – und es gibt viele Bratereien, die zum Beispiel am Markttag in Mires auf der Straße saftige Souvlaki vom Grill anbieten. Aber die wenigen Tavernen, die Mires zu bieten hat, haben in der Regel nur tagsüber geöffnet, sozusagen für das Geschäftspublikum, am Abend haben sie geschlossen und sind ohnehin definitiv nicht auf ein Zielpublikum ausgerichtet, für das gutes Essen im angenehmen Ambiente wichtig ist. Wenn wir gut und schön essen gehen wollen, dann machen auch wir das nicht in Mires, schon sowieso nicht am Abend. Da gehen wir woanders hin.

Wenn wir am Freitagabend aber noch südkretisches Leben genießen und bei dem einen oder anderen Bier das Wochenende einläuten wollen, dann gehen wir gerne in die Innenstadt von Mires. Hier haben wir sogar inzwischen so eine Art Stammkneipe. Die befindet sich in der einzigen Fußgängerzone von Mires, die ist ungefähr dreißig Meter lang und in einer Gasse angelegt, die ohnehin zu schmal ist, als dass da noch Autos hindurchfahren könnten, selbst in Südkreta nicht. Wir sitzen da gerne, die Gasse ist freundlich beleuchtet, sie ist teilweise überwachsen, es stehen viele Stühle und Tische draußen und es ist eigentlich immer eine ganze Menge los. Und es ist sehr gemütlich, dort zu sitzen, sich Zeit zu lassen, zu reden, freundlich in die Gegend zu sehen und sich über das Leben zu freuen.
Einfach nur ein Bier zu trinken – das ist dort allerdings kaum möglich.
Bei unserem ersten Besuch dort war es heiß, wir hatten draußen viel gearbeitet, und, jawohl, deshalb haben Madeleine und ich jeder ein großes Bier vom Fass bestellt. Es war aber dort nur ein einziges großes Glas vorrätig, sagte uns die Kellnerin. Daher habe ich dann ein großes Bier serviert bekommen in dem großen Glas, übrigens mit der Aufschrift "Berliner Pils", und Madeleine erst ein kleines Bier in einem kleinen Glas, aber dann schon noch ein zweites kleines Bier, denn kleine Biergläser hatte es dort genug. - Inzwischen gibt es aber auch genug große Biergläser zumindest für uns beide.
Das Problem, dort nicht einfach nur ein großes Bier pro Person trinken zu können, liegt woanders.
Bei uns auf Kreta bekommt man üblicherweise zu einem bestellten Bier noch einen kleinen Snack dazu serviert. In touristisch geprägten Orten wie Matala oder in Kalamaki an der Strandpromenade ist das eine Schale mit Salzgebäck, üblich sind sonst auch kleine Tellerchen mit Tomaten, vielleicht noch etwas Schafskäse, ein paar Oliven, auch kleine Wurststückchen werden manchmal serviert. In Kamilari gab es mal kleine gegrillte Fischchen zum Bier, die haben uns überfordert.
In unserer Stammkneipe in Mires bekommt man zum Beispiel einen kleinen Teller mit warmen Fleischstückchen in Weinsoße. Und noch dazu eine kleine Schüssel mit buntem Salat. Und gefüllte Zucchinibällchen mit Joghurt. Und eine Schale Tzatziki. Dazu Zwieback. Das bekamen wir jedenfalls heute. Alles sehr lecker. Und das alles passt natürlich wunderbar zum Bier. Eigentlich ist das, zusammen genommen, aber durchaus eine sättigende Mahlzeit.

Bei unserem ersten Besuch waren wir ohnehin besonders durstig und hatten uns gedacht, wir bestellen besser gleich noch ein zweites Bier pro Person nach dem ersten, schon im Angesicht der ganzen Schälchen bei uns auf dem Tisch, um diese Spezialitäten eben auch zum Bier genießen zu können. Allerdings kamen dann mit dem zweiten Bier gleich noch vier weitere Schälchen dazu; damit hatten wir nicht gerechnet. Hackbällchen. Käse-Knoblauch-Creme. Gefüllte Weinblätter. Eine Art Rinder-Goulasch, das hier Stifado heißt. Und die Kellnerin hat sich gefreut, wie sie uns sichtbar überrascht hat. – Wir haben dann kein drittes Glas Bier mehr riskiert, selbst wenn wir noch eines gewollt hätten.
Unser Problem besteht nun darin: Wir können ja nun nicht einfach in unsere Stammkneipe gehen und schon bei der Bestellung sagen, wir möchten bitte nur ein Bier, wenn wir nur ein Bier möchten. Vor allem deshalb ganz grundsätzlich, weil man ja schlecht Einladungen zum Essen ablehnen kann, bevor sie ausgesprochen bzw. sozusagen sichtbar werden, indem diese Schälchen auf den Tisch kommen. Außerdem sind diese Spezialitäten, ich sagte es ja schon, wirklich sehr lecker. Um Missverständnissen vorzubeugen: Wir erwarten ja nun natürlich auch nicht, dass wir etwas zu essen bekommen. Wir wollen aber gewappnet sein. Es geht ja auch nicht an, diese netten Sachen auf dem Tisch einfach stehen zu lassen. - Also gehen wir dort ein Bier trinken, prophylaktisch nicht gerade, wenn wir gerade vorher woanders gegessen haben oder das danach noch beabsichtigen. Wir richten uns ein. Das ist, zugegeben, auch nicht wirklich ein Problem.
Nichts gegen Mires. Zugegeben: Mires ist nicht wirklich hübsch, und, ja, es ist auch nicht wirklich eine attraktive, sehenswerte Stadt im engen touristischen Sinn. Aber Mires ist speziell. Wir mögen unsere Stadt sehr gerne.
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