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Elpis ist da

Aktualisiert: 29. März

Montag


Die griechischen Behörden warnen, und unsere kretischen Zeitungen geben die Warnungen gleich an uns weiter: Wir sollen jetzt unsere Heizung auf ihre Funktionsfähigkeit überprüfen. Wir sollen heute für vier Tage Lebensmittel einlaufen. Wir sollen am besten unsere Wohnungen für ein paar Tage nicht mehr verlassen. Bewegen sollen wir uns aber in der Wohnung – und nicht bloß auf dem Sofa sitzen. Aber auch die Hunde und Katzen auf der Straße nicht vergessen, die sollen wir versorgen. Die Schulen haben übrigens geschlossen. – Na gut, das kennen wir alles aus den Corona-Lockdown-Zeiten hier, immerhin müssen wir jetzt nicht mehr per SMS eine Genehmigung einholen, falls wir doch einmal nach draußen wollen, das war damals noch anders. Aber dieses Mal geht es ja auch nicht um die Virenstürme, dieses Mal ist es das Wetterphänomen „Elpis“, auf das wir uns vorbereiten sollen: Winterstürme, Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und Schnee bis in die Niederungen – auch auf Kreta. Wir lesen weiter: Wir sollen in unseren Wohnungen Schaufeln bereit halten, damit wir uns gegebenenfalls aus unseren verschneiten Wohnungen herausschaufeln können. Falls wir doch einmal mit dem Auto unterwegs sein müssen, dann sollen wir vorsorglich ein buntes Tuch an die Autoantenne hängen, damit wir später leichter von den Suchtrupps gefunden werden können, wenn wir im Schnee stecken bleiben – und während der Wartezeit auf unsere Retter sollen wir den Automotor pro Stunde zehn Minuten anschalten, damit die Heizung funktioniert.


Das klingt für uns alles sehr aufregend, und tatsächlich wird es am Montag ziemlich frisch, zwar schneit es noch nicht, aber es kaltregnet heftig. In Kapariana brauchen wir in unserem jetzigen Zuhause die Heizungen gar nicht erst überprüfen, denn wir wissen das auch so: Es ist bitterkalt in unserer Wohnung, heizen kann man ohnehin hier nicht richtig, denn die Wände haben keine Isolierung.

Nur noch etwas über zehn Grad in unserem Wohnzimmer, da beschließen wir, die nächste Nacht in einem warmen Hotelzimmer zu verbringen, und ich buche eine Nacht in unserem Lieblingshotel in Heraklion – da brauchen wir dann auch erst einmal nicht für vier Tage einkaufen.

Wir fahren noch schnell zu unserer Baustelle, vor allem um die Katzen zu versorgen, denen geht es anscheinend gut, sie haben ja auch fünfzehn gut isolierte Bungalows ganz alleine für sich, bei denen allerdings, zugegeben, noch die Fenster fehlen. Bauarbeiter sind heute nicht zu sehen, aber das verstehen wir auch.

In der Zeitung lesen wir, dass die Straße nach Heraklion, die ja über einen Pass führt, zum Teil schneebedeckt ist, es gibt schon Fotos vom frühen Morgen mit etwas Schnee auf der Fahrbahn zu sehen, und gezeigt wird auch ein ein Bagger des Straßendienstes, der vorsorglich auf den Weg geschickt wurde, um gegebenenfalls weiteren Schnee beiseite zu räumen, aber bislang fehlt der Schnee hier noch weitgehend.


Unsere Zeitung schreibt auch noch, dass man sicherheitshalber Schneeketten anlegen soll, wenn man unterwegs ist. Wir haben unsere Zweifel, ob jemand in Südkreta Schneeketten besitzt, aber immerhin hat unser Auto ja Allradantrieb, da sind wir nicht am schlechtesten ausgerüstet für eine Fahrt nach Heraklion, denken wir.

Unsere Fahrt verläuft dann störungsfrei, wir staunen über einen Berg von Streusalz auf der Passhöhe, wir hätten gar nicht erwartet, dass es in dieser Region überhaupt Streusalz gibt. Und tatsächlich liegt hier im Norden von Kreta etwas Schnee, das ist ja schon etwas Besonderes.

Im Hotel in Heraklion freuen wir uns über ein warmes Hotelzimmer, über eine Badewanne, über ein Abendessen, das man ohne Norwegerpullover und Anorak genießen kann.

Und dann staunen wir über die Nachrichten aus Athen, denn alle Fernsehsender berichten von dem heftigen Unwetter dort: Starker Schneefall hat den Verkehr in Athen und im Umland der Hauptstadt vollständig zum Erliegen gebracht, der Katastrophenalarm wurde ausgelöst, und Unmengen von Schnee blockieren die gesamte Stadt. Das sind erstaunliche und beeindruckende Bilder, die da aus Athen auf allen Kanälen gesendet werden.


Freunde und Bekannte haben von unserem Wetter in deutschen und Schweizer Nachrichten gehört, gesehen, gelesen und fragen nach, wie es uns geht. CH-Media behauptet tatsächlich, Kreta läge unter einer Schneedecke. Da müssen wir klarstellen, dass das, wenn überhaupt, eine sehr löchrige Decke ist: Bei uns hier in Heraklion regnet es, es ist sehr kalt, es ist windig, aber Schnee haben wir hier am Meer nicht, und das soll auch so bleiben. Die Fähren nach Piräus sind heute Abend im Hafen geblieben, für morgen ist griechenlandweit ein "Ferientag" ausgerufen worden, da soll es nicht so viel Verkehr geben.

Auf unserer Insel ist die Lage jedenfalls zurzeit schneemäßig recht entspannt, abgesehen von den Bergregionen, aber da gibt es jeden Winter Schnee.


Mal sehen, ob wir wieder morgen über den Pass an die Südküste kommen, aber gegebenenfalls bleiben wir gerne noch eine weitere Nacht in diesem Hotel: 8 Grad ist es inzwischen in unserem Wohnzimmer in Kapariana, sehen wir auf unserer Netatmo-App, da lebt es sich hier im Hotel gerade besser.

(Fotos: e-messara.gr)



Dienstag


Die kretische Polizei hat die Fernsehnachrichten aus Athen vom Vorabend offenbar auch gesehen: Solche Verkehrsstaus mit im Schnee feststeckenden Autos wie in Athen will man hier natürlich vermeiden. Zwar sieht man bei uns am Dienstag Vormittag am Straßenrand auf dem Weg an die Südküste gerade mal so ein paar Schneereste, denn die Temperatur ist inzwischen auch in Heraklion wieder auf sieben Grad gestiegen, das sieht nicht wirklich gefährlich aus – aber die Polizei hat die Schnellstraße an die Südküste unweit der Stadtgrenze von Heraklion vorsorglich gesperrt, und wir werden zurückgeschickt nach Heraklion. Am nächsten Tag, gegen Mittag, sollen wir das mal wieder versuchen, sagt man uns.

Nun hatten wir ja eigentlich durchaus in Erwägung gezogen, eine weitere Nacht in Heraklion in unserem schönen Hotel zu bleiben, aber jetzt ist unser Ehrgeiz geweckt: Kann das wirklich so sein, dass man jetzt nicht mehr von der Nord- an die Südküste kommt, für eineinhalb Tage, bei sieben Grad, nicht einmal unfreundlichem Wetter mit einem Sonne- Wolkengemisch an der Nordküste?

Wir beschließen, einen großräumigen Umweg zu fahren und wählen eine Route deutlich weiter östlich. Da ist eine ganze Menge los: Weil die Regierung ja wegen des Wetters einen allgemeinen Ferientag ausgerufen hat, fahren die Leute zwar nicht zur Arbeit, aber dafür in die Berge, um sich den Schnee anzusehen. Tatsächlich hat es recht viel Schnee hier oberhalb von Heraklion und links und rechts von der Straße stehen Autos, deren Insassen am Straßenrand kleine Schneeballschlachten veranstalten. Wir sind zwar schon fast über den Pass gekommen, sehen aber voraus, dass diese Straße bald gar nicht mehr geräumt sein wird und wir möglicherweise tatsächlich Schwierigkeiten haben könnten, in die Ebene hinabzufahren. Also drehen wir um und fahren doch wieder nach Heraklion zurück. Hier unten scheint inzwischen gar die Sonne, die Temperatur ist auf neun Grad gestiegen, im Autoradio hören wir, dass inzwischen die Strände auf der Kykladeninsel Naxos schneebedeckt sind, aber hier sieht das Wetter noch recht freundlich aus. Also fahren wir noch einmal auf die Schnellstraße in Richtung Süden, um nachzusehen, ob die Polizei tatsächlich immer noch die Sperrung aufrecht erhalten hat. Tatsächlich, das hat sie. Alle Autos müssen umkehren. Da ist inzwischen nicht nur unser Ehrgeiz, sondern da wird jetzt möglicherweise auch etwas von kretischem Widerspruchsgeist in uns geweckt: Das kann doch nicht sein, dass bei diesem feinen Wetter nicht in den Süden darf? Wir wählen risikobereit die alte Landstraße, um nach Agia Varvara zu kommen, jenem höchstgelegenen Ort auf dem Weg in die Messara-Ebene. Polizeisperrungen gibt's hier nicht, wir dürfen hier fahren, das Tauwetter hat die Straße an manchen Stellen unter Wasser gesetzt, aber es ist kein Problem, hier überall gut durchzukommen. Tatsächlich kommen wir auf dieser Nebenstrecke problemlos nach Agia Varvara, erwarten ein bisschen, von der Polizei dennoch zurückgeschickt zu werden, aber hier gibt es keine Polizei und keine Sperren mehr, und wir können von hieraus sogar auf der Schnellstraße in die Ebene hinabfahren.


Zugegeben, hier oben in Agia Varvara gibt es eine ganze Menge Schnee, aber das Fahren ist nicht wirklich ein Problem – und wir kommen sicher bei uns in der Messara-Ebene wieder an. Das Küstengebirge hat ein bisschen Schnee abbekommen, sehen wir bei der Einfahrt, aber in der Ebene gibt es frühlingshaftes Grün, blauen Himmel mit ein paar Wolken, keinen Sturm, es ist 10 Grad warm.


Nun sitzen wir wieder zuhause und staunen über die Nachrichten, die das kretische Fernsehen bringt: Woanders auf unserer Insel ist sehr viel Schnee gefallen, Straßen sind tatsächlich unpassierbar geworden, Dörfer nicht mehr erreichbar, Stromleitungen unterbrochen, sogar Dächer unter der Schneelast zusammengebrochen – da sieht es offenbar ganz anders aus als bei uns. Es macht also doch sicherlich seinen Sinn, wenn die Polizei prophylaktisch Straßen sperrt, das sehen wir ein, auch wenn das in unserem Fall nicht wirklich nachvollziehbar war.

"Das beste Klima von ganz Kreta" hätten wir hier im mittleren Süden, hat unser Nachbar in Sivas behauptet, und da hat er nicht übertrieben.



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