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Bierzapfen und Brotschneiden

Aktualisiert: 29. März


Es ist ja nun nicht so, dass wir hier in der Vorbereitung unseres Projektes wenig zu tun haben, ganz im Gegenteil: Wir müssen viele Entscheide treffen, und dafür braucht es Vorarbeiten, Recherchen, Besichtigungen, Vergleiche, Diskussionen. Das braucht alles Zeit. Und dann ist da auch noch der Zeitaufwand für das Griechischlernen, wobei ich für mich allmählich den sicheren Eindruck gewinne, dass bei mir der Zeitaufwand in einem ungünstigen Verhältnis zum Lernerfolg steht. Dennoch: Wir können noch Zeit aufbringen für andere Aktivitäten, vorzugsweise natürlich für solche, die auch mit anderen Menschen zu tun haben, denn nach den lockdown-bedingten Zwangsisolierungen seit November hier in Griechenland ist unser Nachholbedarf in Bezug auf Gesellschaft umso größer.

Das geht offenbar auch anderen so, und deshalb gab es in der Taverne von unserer Freundin Sofia in Sivas schon ziemlich viele Gäste am Tag ihrer Eröffnung. Es sind vereinzelt Auswanderer, es sind schon ein paar Touristen, vor allem aber sind es Griechen, die die wiedererlangte Freiheit nach dem fast totalen Lockdown nun wieder erleben wollen und deshalb Ausflüge zu uns in den Süden machen. Sofias Taverne in Sivas hat eine sehr gute Küche, sie ist bekannt und beliebt bei In- und Ausländern, das ist ja eigentlich sehr schön für Sofia, aber dieses Jahr fürchtet sich Sofia fast ein bisschen vor dem Ansturm, denn sie hat Schmerzen beim Stehen und Laufen. Nun hat sie natürlich ihre Unterstützung: In der Küche arbeitet Sofias Tochter Elisabeth mit der Köchin zusammen, und Sofia hat eine neue Kellnerin engagiert, Giorgina, trotz ihres jugendlichen Alters mit viel Erfahrung in der Arbeit im Hotel- und Gaststättenbereich auf den Inseln Santorin und Antiparos, die sehr engagiert, effektiv und aufmerksam arbeitet.

Wir haben Sofia in der Vorbereitung der Eröffnung geholfen, indem wir alle Sitzflächen in die Stühle geschraubt haben; irgendwie sind hier Bohrmaschinen für solche Arbeiten noch nicht so verbreitet, weshalb die Freude groß war, als ich alle Schrauben nicht etwa per Schraubenzieher sondern mit der Maschine eingedreht habe. Die Qualität meiner Arbeit, das will ich einräumen, ist noch zu steigern, zwei Sitzkissen habe ich falsch herum angeschraubt (das haben wir noch vor der Eröffnung gemerkt), eine Schraube habe ich zu tief geschraubt, weshalb sie auf der Sitzseite zwar schwer zu sehen, aber prima zu spüren war (das haben nicht wir noch vor der Eröffnung, sondern das hat dann ein Gast gemerkt).

Nach dem ersten Eröffnungstag ist für Sofia klar: Sie braucht zusätzliche Unterstützung. Wir denken uns, vielleicht können wir aushelfen und dabei ja auch gleich ein bisschen Praxiserfahrung für unser eigenes Projekt sammeln. Sofia findet die Idee schon mal gut, und so probieren wir am zweiten Saisontag der Taverne mal aus, wie das funktioniert. Von Sofia und Giorgina, der Chef-Kellnerin, lassen wir uns gleich mal erklären, was wir wissen müssen: Vorrangig werden wir hinter der Getränketheke arbeiten, nach Bestellungen also die Getränke vorbereiten, außerdem Tische eindecken, wo das notwendig ist, Brot schneiden, Besteck in Servietten einwickeln,

das Kräuterolivenöl in kleine Schälchen abfüllen, die Süßigkeiten und das Obst für das Gratis-Dessert zurechtmachen - und natürlich auch den Tsikoudia einschenken, immer ein Glas mehr als Gäste am Tisch sitzen, denn Giorgina muss ja mit den Gästen zum Abschied anstoßen. Und natürlich reichen wir Giorgina nach Möglichkeit alles zu, was sie so gebrauchen könnte, ordnen Geschirr oder liefern Besteck nach, beispielsweise.

Unser Tätigkeitsbereich erscheint mir übersichtlich, am späten Nachmittag kommen auch die ersten Gäste und ich mache gleich für einen Gast anstatt eines Viertelliters einen halben Liter Weißwein fertig, aber etwas Schlimmeres soll uns und den Gästen dann am Abend auch nicht mehr passieren. Der Andrang hält sich nun heute, am Sonntag Abend, in Grenzen, da hätte ich eigentlich auch Zeit, ein Fassbier in ein paar Minuten zu zapfen, und nicht, wie das hier üblich ist, in wenigen Sekunden einzuschenken mit Hilfsmitteln, die ich für zweifelhaft halte, aber das kann ich später ja mal anders halten in unserer „Kleinen Welt“, funktionieren tut das schon so.

Ansonsten sind wir uns hier ganz einig, Sofia muss nicht mehr so viel laufen oder stehen und kann sich besser um die Gäste kümmern, Giorgina arbeitet uns gut ein, es bleibt auch noch Zeit für nette Gespräche, und wir haben es gut miteinander. Leider kommen an diesem Abend nicht so viele Gäste, dass wir behaupten könnten, unsere Mithilfe sei wirklich nötig gewesen, daher verabreden wir mit Sofia, dass wir in Zukunft angerufen werden, wenn es uns wirklich braucht. Sofia verspricht: Das wird sie so machen, und dann können wir schnell aus Kapariana angebraust kommen.

Da finden wir es sehr nett von Giorgina, als sie uns zum Abschied sagt, dass sie schon deshalb auf mehr Gäste hofft, damit wir wieder zusammen arbeiten. Und ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass ich irgendwann zum Abschied mit den Gästen Tsikoudia trinken muss, weil das Giorgina am Abend mal zu viel werden wird mit dem Tsikoudia.





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