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Die Gockel von Kapariana

Aktualisiert: 25. Nov. 2021

Honi soit, qui mal y pense: Es geht in diesem Blogbeitrag tatsächlich einfach um Hühner, Haushühner, um genau zu sein. Von denen soll es weltweit eine ganze Menge geben. Gemäß Wikipedia kommen auf jeden Menschen drei Hühner. Im Eigenthal, wo wir früher gewohnt haben, sorgen wohl unsere lieben Nachbarn, die Zieglers, mit ihrem Hühnerhof dafür, dass diese Statistik zumindest für das Würzenmoos stimmt. Aber wenn ich an all unsere Freunde denke, die in Luzern oder Zürich oder irgendeiner größeren Agglomerationsgemeinde wohnen, dann frage ich mich, wo die ihre statistischen drei Hühner haben. Inzwischen bin ich mir fast sicher: in Kapariana. Kapariana trägt zweifellos erheblich zu diesem Drei-Hühner-pro-Kopf-Wert bei. Kapariana ist zwar auch eine Art Vorstadt, aber eben eine mit Hühnern.

Jetzt will ich in der Erklärung ein bisschen ausholen: Kapariana liegt an der Hauptstraße Heraklion - Moires. Diese Hauptstraße ist von Häusern gesäumt, und von dieser Hauptstraße gehen rechts und links Stichstraßen ab, an denen beidseitig dann wiederum vielleicht drei bis fünf Häuser hintereinander stehen. Zwischen den Stichstraßen, und somit zwischen den Häusern, ist sehr, sehr viel freier Platz, und auf dem tummelt sich dann eben allerhand Geflügel. Auf Kreta sind Eier vergleichweise teuer; es lohnt sich also, auf dem Markt sehr günstig ein paar Küken zu kaufen, mit ihnen den eigenen kleinen Hühnerhof zu begründen und so zu wesentlich günstigeren Eiern zu kommen. Nein, noch haben wir keine eigenen Hühner, denn der Platz hinter dem Haus, in dem wir wohnen, ist ja nicht unsrer. Aber es gibt auch hinter diesem Haus einen Hühnerhof.

So ein Hühnerhof ist manchmal mit einem (löchrigen) Zaun abgegrenzt, meist aber sind einfach die umliegenden Häuser die natürliche Begrenzung für die Hühner und die Katzen, die zu Besuch zu den Hühnern kommen, und die Schafe, die sich auch zwischen den Häusern tummeln.

Zu einem richtigen Hühnerhof in Kapariana gehört auch ein Hahn, der für Ruhe und Ordnung im Hühnerstall sorgt. Hähne krähen. Üblicherweise, so kennen wir das zumindest aus der romantischen Literatur, früh morgens, nämlich bei Sonnenaufgang. In der Fachliteratur lässt sich allerdings nachlesen, dass so ein Hahn auch zu jeder anderen Tageszeit krähen kann. Und mit „Tageszeit“ müssen auch die Nachstunden gemeint sein, denn die Gockel von Kapariana krähen auch in den sehr frühen Morgenstunden, also dann, wenn es eigentlich noch Nacht ist. Zum Beispiel morgens um zwei. Oder um drei oder halb vier. Und dann wieder um fünf. Und sie krähen sehr, sehr laut. Und wenn einer anfängt zu krähen, dann antworten alle anderen. Es scheint fast eine Art Wettbewerb zu sein.

"Unser" Hahn steigt ziemlich schnell in diesen Krähwettbewerb ein, wenn er ihn denn nicht selber initiiert, und man könnte sagen, dass er den Wettbewerb dominiert, ist er doch ein besonders stimmgewaltiges Federvieh. Die Hahnschreie lassen sich genau unterscheiden. Jeder Gockel kräht anders. Da ist einer, dessen Schrei hoch und hell beginnt und dem onomatopoetischen „Kikerikiii“ ziemlich nahe kommt. Dieser Gockel lebt irgendwo östlich von uns, und oftmals beginnt er als erster zu krähen (bei ihm geht die Sonne ja auch ein kleines bisschen eher auf). „Unser“ Hahn kräht ebenso laut wie - na, sagen wir mal: speziell. Es ist ein Hahnschrei, der in Mittellage krächzend beginnt, ein bisschen ansteigt, schließlich bricht und absackt. Als Ich-habe-auch-Gesang-Studierte würde ich glatt behaupten, dass der arme Gockel Knötchen auf den Stimmbändern hat, als Liebhaberin von Viechern aller Art weiß ich aber selbstverständlich, dass ein Gockel gar keine Stimmbänder und somit auch keine Knötchen hat. In der Fachliteratur kann man nachlesen, dass Gockel mit ihrem Krähen quasi verkündigen, dass sie in ihrem Revier anwesend sind und bereit, es zu verteidigen. Und dass sie vor allem im Frühjahr und Sommer zur Balz krähen. Daraus könnte man nun schließen, dass die Gockel von Kapariana sehr verteidigungslustig sind und zudem das ganze Jahr auf der Balz, denn sie krähten im Sommer, und sie krähen jetzt im Dezember noch immer. Anderswo heißt es, dass Hähne nicht bei Anbruch des Tageslichts krähen, sondern einer Art persönlichen inneren Uhr folgen und sich zudem vom Krähen der Kollegen anstecken lassen. Könnte für die Gockel von Kapariana zutreffen. Ich habe aber noch eine andere, ganz und gar unwissenschaftliche These: Die Gockel von Kapariana sind einfach besonders glückliche Hähne, da sie viel Auslauf haben, viel Sonne, ein paar nette Hühner um sich rum, und da sie zudem nicht fürchten müssen, dass ihre jungen männlichen Artgenossen geschreddert werden. Sie führen einfach ein schönes Haushuhn-Gockel-Leben in einer kleinen kretischen Vorstadt.


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